es war in kreta


Es war in Kreta - hatte zuvor einen Film gesehen, der mich so freudig wieder an Kreta erinnerte. Gleichzeitig schien es ein Ort in Italien zu sein, an dem ich schon gewesen war - real aber nicht. 

Mit dem Auto fuhr ich in den Hinterhof, um die enge Biegung - wollte bummeln, einkaufen, wusste aber, als ich einbog, dass man in diesem Laden nicht bummeln, sondern vorwiegend teures Öl kaufen kann - ganz wenige teure Produkte - Verkäufer - Besitzer immer dabei - der Laden liegt rechts - ich beschließe im Hof zu wenden - hatte ich bei meinem ersten Einkauf auch gemacht, meinte ich mich zu erinnern. 

 

Der Hof schien plötzlich größer. Hunde lagen und standen da - Schäferhunde - etwas fülliger, in weiß-blond und dunkler Farbe. Zwei bewege sich zielsicher, aber langsam auf mich zu - voraus ein junger blonder, gefolgt von einem älteren, größeren blonden.

 

Ich lege den Arm auf die Tür und stelle fest, dass ich das Fenster ganz heruntergekurbelt habe - zu spät um es zu schließen. Der kleinere Hund nimmt meine Hand ins Maul, kaut daran herum, zieht kräftig, als wolle er mich raus ziehen. Der Biss tut nicht, verstärkt sich aber - ich weiß, dass es zu spät ist, will aber nicht aufgeben, suche nach einer Möglichkeit das Fenster zuzudrehen - der ältere Hund ist das - nimmt mit einer menschenähnlichen Geste mit seiner Pfote die Pfote des Kleineren weg von meiner Hand. Sofort kurbele ich das Fenster hoch und drücke die Türknöpfe an beiden Seiten runter, Denke nicht an die reifen - das fällt mir beim Notieren auf, dass ich davor in Kreta solche Angast hatte - fahre langsam aber bestimmt los um zu wenden, obwohl überall Hunde - eigentlich außer den beiden nur zwei - dunkel mit gelb gefleckt - liegen, Näpfe verteilt sind. Irgendwo hängt Wäsche. Eine Frau im Hintergrund mit Haltung zu mir, Blick zu mir - kommt sie auf mich zu? Ich empfinde ihr gegenüber keinerlei Gefühle - weder Angst noch setze ich Hoffnung in sie - sie ist einfach da.

 

Fahre einen Bogen - muss offensichtlich ganz nah an dem auf der Seite liegenden Hund vorbei, sonst kann ich nicht drehen. Sehe beim Blick aus dem Fenster ein Hundeteil - Beistück mit Fell und Blut vom Schien-Wadenbein - ohne Fuß - liegen.

 

Bin entsetzt.

Warum lassen die das da liegen, wo kommt es her. Es sieht aus wie herausgeschnitten.

Drehe den Bogen weiter - bin jetzt um den liegenden Hund herum.

Sehe dass er tot oder dem Tod ganz nahe ist. 

Liegt da, hat keine Beine mehr - oder zumindest fehlen zwei, die ich nicht sehen kann. Sind ganz dilettantisch abgeschnitten.

 

Er leidet.

Ich begreife nicht, wer so was macht. Warum lassen sie ihn so liegen. 

Ich weiß, dass ich weiterfahren muss. Vollende den Bogen.

 

Plötzlich brechen überall Kinder hervor. Barfüßige Kinder, angeführt von einem circa 11 bis 12-jährigen Jungen - laut schreiend, gestikulierend, mir nachrennend - wesentlich bedrohlicher als die Hunde - klopft an die Scheibe, hämmert, macht Gesten des Bettels, mehrfach, dass des Hungers und ich beschließe mit lügenden Gesten zu antworte, empfinde kein Mitleid, sondern will sie belügen - kann nicht genau sagen mit welchem Gefühl ich plötzlich erwache, um sofort wieder einzuschlafen.

 

Höre Stimmen im Wohnzimmer, weiß sie sind schon da - unsere Freunde aus Japan - weiß gleichzeitig, dass ich keinerlei Vorbereitungen getroffen habe - nichts eingekauft, nichts aufgeräumt.  

Es sieht überall schrecklich aus. Überall liegt mehr herum als sonst. Im Flur der Putzeimer und unzählige verstreute schwarzweiß Broschüren - alle gleich. Im Schlafzimmer überall Wäscheberge.

 

Sie sitzen im Wohnzimmer.

Setze mich einfach ohne Begrüßung dazu.

Er redet wie selbstverständlich mit mir - sieht völlig anders aus. Ich verstehe überhaupt nicht was er redet.

Versuche - um höflich zu sein - nachzufragen, verstehe aber wieder nichts, lasse es sein.

Er merkt meine Unkonzentriertheit. Sagt "Ja, ich bin wirklich noch ganz müde und unkonzentriert von der Reise."

"Achso, ihr hattet einen langen Flug, sicher anstrengend" - das ist das einzige was ich an Höflichkeit herausbringe.

 

Nichts steht auf dem Tisch, als Ufer je ein Glas - keine Getränke, hat Heinz nicht dafür gesorgt. 

Ich will nicht gehen, bleibe sitzen, gehe dann weg - vielleicht kurz schlafen - bin nicht sicher.

 

Als ich aus dem Schlafzimmer komme, sehe ich sie im dunklen Kinderzimmer, das chaotisch aussieht und unaufgeräumt ist, vor einem Fernsehbildschirm sitzen - Bilder der Digitalkamera vorbereiten zum Ansehen - seine, nicht unsere - von einem scheinbar gemeinsamen Urlaub.

 

Setze mich zu ihm, aber so unhöflich mit den Beinen aufs Sofa wie ich´s sonst nur alleine mache.

Er will sich setzen, landet aber auf meinen Beinen und wirklich keinen Platz mehr, muss sich quetschen.

Ich sehe nicht die Bilder sondern das Display der Kamera beim Weiterschalten zum nächsten Bild.

 

Szenenwechsel.

 

Wohn-Esszimmer - nicht unsere, sondern ein riesiges, landhausähnliches mit Holztischen, Stühlen, alles in Blau, Braun. Zwischen den beiden Tischen in Längsrichtung eine hohe Glasvitrine mit blaubraunen Streben - enthält Gläser und leere Boards.

Auf dem ersten Tisch stehen benutzte Gläser und ich bin mir sicher, dass meine Frau den zweiten Tisch deckt, weil der erste benutzt ist. Das scheint mir ganz normal so.

Setze mich an den zweiten - seine Frau sitzt auch dort. Ich registriere sie nur am Rand.

 

Wir sprechen nicht. 

Sehe meine Frau Tisch decken. Seine Frau macht sitzend Handreichungen. Also stehe ich auf und beginne, den benutzten Tisch abzuräumen.

Bin verwundert, Kuchenteller mit Spuren eines Spaghettiessens zu finden.

Scheine erleichtert: Sie haben schon gegessen. Warum wird der Tisch dann zum Essen gedeckt jetzt?

 

 

Zähle im Geist die Speisen auf, die ich eigentlich hatte zubereiten wollen - aber nicht emotional, nicht Bedauerns - einfach so.

Bin gespannt was es gibt, dann aber ist´s mir egal.

 

Gehe raus.

Lande vor der Ecke des Hofs - wo vorher die Hunde waren.

 

An der Ecke befinden sich jetzt ein Laden, den ich scheinbar auch kenne.

Viele Waren davor aufgestapelt. Überall hängen kitschig-typisch-teure Kretasouvenirs herum.

 

Viele Männer streiten oder reden laut - mehrere durch die offene Ladenfront nach außen mit einem oder zwei Männern inter mir.

 

Ich stoße versehentlich mit dem Fuß eine Papiertüte um, kann sie nicht mehr aufstellen - sie knickt dauern um. Versuche es mehrmals, fluche innerlich.

 

Die Männer registrieren mich jetzt.

 

Donatus Angele, 2. Juni 1999