all inclusive - bogdan

Der Mittag ist schon fortgeschritten. Der Muezzin hat schon zwei Mal nach dem Mittag zum Gebet gerufen.

 

Im Hotelrestaurant am Meer hat die zweite Mittagschicht begonnen – all inclusive.

Gäste – vor allem weibliche im fortgeschrittenen Alter, die sich trotz der Tafel an der Eingangstür nicht an die erbetene Kleiderordnung halten, schieben sich mit ihrem Teller vorbei an den Tomaten, Gurken und dem landesüblichen Couscous zum einzigen Thekenteil mit Bedienung, dem Grill. Der tunesische Koch brät heute Merguez, kleine feste Lammwürstchen, von denen er den Damen und natürlich auch den Herren ohne spürbare Regung eines auf den Teller legt. Morgen früh wird er wieder ein Omelett dort braten und wenn der Kontakt gelingt, es sogar mit einem Lächeln auf den Teller schieben. Wenn das geschieht, ist aus den über fünfzig tunesischen Omeletts, die er jeden Morgen mit Zwiebeln, Tomaten, Paprika und Truthahnwurst brät, ein einziges, ein besonderes, ein wundervolles orientalisches Urlaubsomelett geworden.

 

Die Kellner stehen und warten auf Gäste in ihrem Abschnitt, um ihnen das erste Getränk zu bringen, die Geschirrabräumerinnen, die noch nicht Kellnerin sein dürfen, fahren mit ihren Wagen durch die Reihen und nehmen sofort alle Teller mit, von denen offenbar nicht mehr gegessen wird – all inclusive.

 

Zu dritt - noch ziemlich bleichgesichtig - betreten sie den großen, gar nicht in seiner Gänze zu überschauenden Gastraum. Der Herr im schwarzen Anzug am Eingang hat sie am grünen Plastikband als Gäste des Hotels erkannt. Vierzehn  Tage werden sie nun hier speisen – all inclusive.

Vierzehn Tage das dunkelgrüne Plastikarmband tragen, mit dem sie jeder einheimische Händler auch zuordnen kann – all inclusive.

Der Herr im Anzug, das unglaublich große Buffet mit den reichhaltigen Speisen, die mit Stoffservietten eingedeckten Tische – die Drei sind sehr beeindruckt - all inclusive.

 

Als Familienvater - noch dazu mit den besten der familieneigenen Sprachkenntnissen ausgestattet – ist es sicher wichtig, Stärke zu zeigen, um der Familie Sicherheit zu geben und zugleich mit der größtmöglichen Freundlichkeit sich an die landes- und hotelüblichen Gepflogenheiten anzupassen.

Da ist es schon sehr erleichternd, dass einer der Kellner einen Tisch anbietet. Wie freundlich der ist. Das sind schon herzliche Menschen, die Tunesier.

Noch während sich alle drei hinsetzen fragt der nette Kellner nach den Getränkewünschen und darauf ist der Vater vorbereitet – all inclusive: nach dem Flug und all der Aufregung darf es gerne ein Wein sein für ihn und die Frau. „Please, wine bleue, vin bleue, please“. Erleichterung als der Kellner nickt – es hat geklappt, er wird alles bringen und das die nächsten vierzehn Tage – all inclusive.

 

Der Kellner ist wirklich liebenswürdig – als er das Wasser auf den Tisch stellt, sagt er lächelnd etwas mit einer Handbewegung. „Bogdan“, antwortet der Vater hocherfreut und legt die Hand auf seine Brust. Wieder lächelt der Kellner und geht weg, um den Wein zu holen. Der Vater – Bogdan – ist stolz, dass er seine Familie hier so gut einführen konnte. Nun gilt es, die Konversation nicht abbrechen zu lassen, den nächsten Satz gleich zu überlegen – in Englisch oder in Französisch?

 

Der Kellner kommt mit einer kleinen Flasche Wein zurück: „First day?“ „Yes, first day“ – dieser für alle Umihnherumsitzenden völlig unnötige Satz - denn als solche wurde die Familie bereits beim Eintreten in den Speisesaal wahrgenommen – lässt den Kellner so freundlich-verständnisvoll lächeln, dass der Vater den Viertelliter Weißwein für heute akzeptiert – all inclusive lässt sich der halbe Liter Rotwein am Abend sicherlich leicht bestellen.

 

„Russian?“ - “Polen“ „Ah, Polen“ „This is my Family“ – “Part family – part at Polen – home”. Die Frau ist derweil zur Toilette gegangen, der erwachsene Sohn schaut sich am Buffet um, der Vater freut sich und hat sich den Namen des Kellner gemerkt - „Hamdin“.

 

Herrlich dieser Blick auf den  blaugekachelten Swimmingpool, unter Palmen, die weißen Liegestühle unter der afrikanischen Sonne und die ferne Ahnung vom nahen Meer – all inclusive.

 

Nach dem Essen wird Bogdan seiner Familie gleich das Meer zeigen – all inclusive.

Nachdem das Verständigen sich jetzt doch als so einfach herausgestellt hat, wird das ein feiner Urlaub werden. Noch ahnt Bogdan nicht, wie viele freundlich lächelnder Männer ihn und seine Familie am Strand ansprechen werden – all inclusive – weniger aus dem Wunsch nach Völkerverständigung als vielmehr zum lebensnotwendigen Broterwerb als Tunesier - all exclusive.

 

 Donatus Angele, 20. April 2012