Herr van hofen reist singen


Nächste Woche ist es wieder so weit - endlich. Und es ist schon heute schön, weil man ja weiß, dass die schönen Tage kommen.

 

Die Tage mit den freundlichen Gesprächen, den gemeinsamen Frühstücken, den Berührungen zarter Frauenhände und den wärmenden Nachfragen.

 

Ich werde auch erzählen. Ja, uns fragen werde ich sie. Woher sie kommen. Und ich werde ihnen zeigen, wie ich mich freue, sie kennen zu lernen.

 

Meist sagen wir "DU" zueinander, auch wenn ich ihr Vater oder Großvater sein könnte. Wenn wir uns treffen, ist das egal - dann spielt das Alter keine Rolle. Außerdem ist es doch wunderschön, an einer warmen zarten Frauenhand die Treppe zum Altar hinunter geleitet zu werden.

 

Morgens im Hotel bin ich zeitig beim Frühstück - nicht wegen des Buffets - beileibe nicht - das Essen ist mir nicht mehr wichtig. Einen Platz oder zwei halte ich frei für sie und ihren Mann.

Schon beim Aufwachen - wieder mal gegen drei - habe ich mir genau überlegt, welche Plätze ich nehmen werde, damit ich sie gleich sehe, wenn sie den Frühstücksraum betreten - die vorn am Eingang. "Ich hab für Sie Plätze reserviert", werd´ich sagen und die Frau wird sich gleich hinsetzen.

 

Ich sollte nicht allzu lange warten mit meiner Frage, ob sie mir heute Abend meine "Betonfliege" umbinden kann, ob sie so freundlich sein will, mir meine "Betonfliege" umzubinden. "Betonfliege" - so hatte die Verkäuferin im Kaufhaus gesagt. Ich hatte ja keine schwarze Fliege mehr gehabt.

 

Meinen Fotoapparat habe ich immer mit, und meine Lupe. Ich seh´ja nicht mehr ganz gut, aber das Fotografieren hält die Erinnerung wach.

Ich mache überall Fotos, wenn ich reise. Und wenn ich dann wieder zu Hause bin, schaue ich mir die Fotos an und freu´mich dran wie schön es war.

 

Damit die Freude bleibt, buche ich immer schön rechtzeitig. Man muss vorsorgen und erschrocken sein sollte man auch nicht. Einfach ansprechen - "Ist dieser Platz noch frei?" - "Waren Sie im letzten Jahr auch dabei?" - "Mein Namen ist Peer von Hofen". Die richtige Anrede findet sich schon, wenn es so weit ist. 

 

Wenn wir ankommen, schaue ich immer sofort, dass ich Kontakt aufnehme. Dann hat man schnell einen guten Nebensitzer gefunden. Die Neuen sind auch froh, wenn jemand sie freundlich anspricht. Sie fragen nicht so viel. Sie wollen höchstens wissen, woher man kommt.

 

- oder die Lage. Naja, hören kann ich auch nicht mehr so gut und das mit dem Sehen hab´ich ja schon gesagt. Aber am Nebenmann kann man sich gut orientieren und beim Gehen hilft die nette Dame bestimmt.

 

Wenn ich abends im Hotelbett liege, bin ich glücklich: So viele liebe Menschen, so eine feine Stimmung - und alle haben mir zugelächelt oder zugenickt oder ein paar freundliche Worte mit mir gewechselt - sogar die Japaner. Ich lerne bestimmt bis zum nächsten Mal das Haiku - das kleine Gedicht - auswendig. Da werden die staunen, wenn ich es ihnen nächstes Jahr beim Frühstück vortragen werde.

 

Wenn ich Glück habe, gibt mir die Dame heute Abend ihr Kärtchen.

Es ist weit von Berlin nach Stuttgart, aber ich werde sie bestimmt besuchen - schließlich habe ich noch viel Zeit zwischen den gebuchten Terminen.

 

Sie und ihr Mann werden staunen, wenn ich für ein oder zwei Tage zu ihnen wohnen kommen werde.

 

Wir sind ja Freunde geworden.

 

Freunde zu haben ist sehr schön - Singen verbindet.

 

Natürlich war´s auch mit meiner Frau wunderschön - 48 Jahre lang bis sie vor 17 Jahren starb.

 

Ich bin nicht allein, Röschen, ich nicht. Da brauchste Dir keine Sorgen machen. Ich meld´mich gleich nachher wieder an für Pfingsten - "Messiah" in Halle, Bass 1 - und dazwischen besuche ich meine Freunde - vom Singen.

 

Donatus Angele, 20. November 2011

im ICE auf der Heimfahrt vom Singen in Leipzig