Adventsabendlied 21: "Nach grüner Farb´ mein Herz verlangt""


Es ist „Mittentag“ heute.

Diese bildhafte Bezeichnung für die Wintersonnwende kommt im heutigen Adventsabendlied „Nach grüner Farb´ mein Herz verlangt“ vor. Ich mag dieses mittelalterliche Lied des Torgauer Pfarrersohns Michael Praetorius, die altertümliche Sprache und die schöne Melodie. Stellt Euch vor: Vor 410 Jahren hat Michael Praetorius dieses Lied komponiert und sich herzlich das Ende eines langen Winters gewünscht.

Wie passend ist das doch heute – auch wenn bei uns kein Schnee liegt, aber eine trübe Zeit!

Ob den Menschen vor allem nach dem frischen Grün der Wiesen, dem fröhlichen Gesang der Vögel und den bunten Blumen hungert, weiß ich gar nicht sicher, denn in den Medien hört man vor allem Menschen, die den Trubel einer Stadt beim samstäglichen Einkauf oder dem Weihnachtsmarkt bei Glühwein, das Reisen in ferne Länder und knatterndes Feuerwerk vermissen. Zum Glück kenne ich nur wenige solcher Menschen – die Mehrheit in unserem Umfeld versteht es sehr wohl, das Beste aus der aktuellen Zeit zu machen und das Positive im Trüben zu suchen und die Lichter der Herzenswärme leuchten zu lassen.

Im Übrigen liegt bei uns nicht nur kein Schnee, was ich ja bedauere, sondern unsere Vöglein sind noch da: Unser Wanderfalkenpaar, das uns seit mehr als 25 Jahren begleitend im Friedenskirchturm wohnt, jagt nach wie vor Raben und Tauben und verblüfft uns mit seinen Flugkünsten, die unvergleichlich schöner sind als seine schrille Stimme und wir freuen uns schon auf die Jungen, die im Frühjahr wieder schlüpfen werden. Beim morgendlichen Zeitungholen empfängt uns die Amsel in der Hecke mit ihrem Singen und dankt für den Apfel – einen der letzten aus dem Gartenparadieschen. Mittags freuen sich die dankbar zwitschernden Kohlmeisen, dass die Sonnenblumen und die Spinnenblumen auf dem Balkon immer noch einige Samenkörnchen Nahrung für sie bereithalten. Selbst die beiden Gelbstirnamazonen flattern wie gewohnt laut kreischend mittags über den Innenhof. Wer also genau hinhört oder sich gar beteiligt an der „Stunde der Wintervögel“, wird viele der gefiederten Freunde erblicken und hören und ihnen die Hoffnung auf den Sommer spüren.

Uns ist also der Weg nicht verschneit und wenn wir die Ohren aufmachen, können wir viel Schönes hören oder auch Buntes sehen.

Natürlich sind die Farben des Sommers fahl geworden und so muss das auch sein: Damit das Neue kommen kann, muss das Alte sich davonmachen – so ist die Natur eingerichtet. Einzig leuchtend rot sind im Garten die Früchte des Schneeballenbaums und die der Zwergmispel – „Cotoneaster“ - und leuchtend weiß am Waldrand die Beeren des „Knallerbsenstrauchs“, der eigentlich Schneebeere heißt – sie zeigen sich den Vögeln als vitaminreiches Winterfutter.

Ja, ansonsten ruht bei uns auch das Gartenparadieschen, das Wasser ist abgestellt, das Grillen eingestellt und die Gartenmöbel untergestellt. Wir wissen, wo alles steht und dass das alles wiederkommt. Und dass die schönen Blumen wiederkommen, um mit ihren Blüten erfreuen, das ahnen wir und auf das vertrauen wir – erstaunlich, wie wenig wir dazu beitragen müssen.

Eine schöne bildhafte Vorstellung zeichnet das Lied: Gott gibt dem personifizierten Sommer ein starkes Seil in die Hand, an dem dieser ab dem heutigen Tag daran zieht und damit sich in den Vordergrund und den Winter, die Kälte, die Trübnis in den Hintergrund zieht – welch schöne Perspektive, aus der wir schon die Wärme, die Sonnenstrahlen, das Vogelgezwitscher und die Farbenpracht des Sommers ahnen können.

„Halt“, werdet Ihr sagen, „das dauert schon noch!“ Ja, das dauert noch, aber die Perspektive ist ganz deutlich da und lässt sich nicht mehr aufhalten. Wer - wie ich - einen klösterlichen Schlaf pflegt, wird das jeden Morgen beim Aufwachen erleben können, wie es täglich ein klein wenig früher hell wird und wer früh seine Zeitung aus dem Briefkasten holt, wird bald mehr als eine Amsel singen hören. Vor allem in diesem Jahr wo die Natur weitgehend von Feuerwerkskrachen, -rauch und -gestank verschont wird.

Natürlich können wir den Sommer nicht beim Seilziehen unterstützen, diese Aufgabe ist ihm allein gegeben, wir brauchen uns da nicht anzustrengen. Wir dürfen einfach nur beobachten und uns daran freuen, was wiederkommt, wie schön sich die Natur zeigt und uns von ihr nach draußen locken lassen.

Ich hoffe so, dass viele Menschen das Einfache, das Natürliche und das Wunderbare, das uns gegeben ist, in diesem Winter wieder mehr entdecken und für so wertvoll empfinden, dass sie es nicht stören, sondern schützen mögen. Das ist eine Aufgabe, die uns Menschen zufällt, denn wir haben alle Fähigkeiten mitbekommen, zu erkennen was gut und richtig ist, was wichtig und unwichtig ist im Leben und wo wir geben anstatt nur nehmen können.

Im Übrigen bin ich sehr dankbar, dass ich hier leben kann, wo wir vier unterschiedliche Jahreszeiten haben können, die uns immer wieder Sehnsucht machen und Hoffnung lehren.

Der Gedanke, dass alle Tage Sommer oder jeden Tag Weihnachten wäre, gefällt mir nicht. Da denke ich an Heinrich Bölls Satire „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ von 1952, deren Verfilmung aus dem Jahr 1970 habe ich oft mit einem Schauern angeschaut.

Ich wünsche Euch – falls Euch danach ist – noch einen schönen Kurzfilmabend und dann eine erholsame Nacht mit hoffnungsvollen Träumen.

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