Adventsabendlied 9: "Es wird scho glei dumpa"


Mit dem heutigen Adventsabendlied Es wird scho glei dumpa" schicke ich besonders herzliche Grüße an die Lieben in Österreich und Bayern.

Die Version unseres SDR-Kinderchors ist fast wie „Eulen nach Athen“ tragen, wenn man sich anhört, wie schön die in der Mundart gesungene Version der Tölzer Knaben klingt, die ich Euch verlinkt habe. Wir haben dieses österreichische Weihnachtslied wie auch den „Andachtsjodler“ auch in Stuttgart immer sehr gerne gesungen. Die Parallelführung der Stimmen lässt einen so schön musikalisch eine Harmonie spüren, nach der man sich sehnt.

Das Thema des Liedes scheint so einfach, so schön und doch kann das Muttersein auch ganz schön „harter Tobak“ sein.

In dem Tiroler Krippenlied geht es darum, dass das Jesuskindlein ruhig, sicher und gut bewacht schlafen soll. Ein solcher Schlaf ist von unschätzbarem Wert – vor allem für ein neugeborenes Kind – für seine Sicherheit, für sein ganzes Leben.

Wenn ich unsere Schwiegertochter mit der kleinen Enkelin auf dem Arm leise summend und das Kindlein zärtlich wieder in den Schlaf wiegend erlebe, weiß ich wie gut es unserer kleinen Enkelin geht, wie sehr sie geliebt wird und wie sicher sie schlafen darf – ein großes Glück.

Mutter-Kind – die ganz große Liebesgeschichte, die vermutlich nie endet, selbst dann nicht, wenn es eine unerfüllte Liebe ist.

Eine Mutter kann es sogar schaffen, dass ein Kind selbst in den prekärsten Verhältnissen unter schlimmen Umständen, in unfriedlicher Umgebung Sicherheit und Liebe spüren kann.

Was aber, wenn eine Mutter diese Nähe nicht geben kann? Ich gehe nicht davon aus, dass eine Mutter das evtl. nicht wollte, denn jeder Mensch tut aus meiner Sicht sein Möglichstes und manchen Müttern ist eine große Nähe offenbar nicht möglich. Für ein Kind unverständlich und schrecklich, für Erwachsene aber erklärbar und vielleicht auch heilend verstehbar. Ein Kind ohne diese Nähe empfindet Kälte auch in einer warmen Stube.

Wie bei allem, was man zu Beginn versäumt, dauert das Gewinnen von Sicherheit ohne liebende Nähe länger und wird üblicherweise auch teurer. Nicht nur Untersuchungen zur seelischen Gesundheit von Kindern traumatisierter Mütter zeigen dies deutlich. Macht das Kind sich selbst für die vermisste Herzenswärme verantwortlich, fällt es ihm schwer, sich selbst zu lieben und zu trösten, sich zu ermutigen und zu bestärken.

Wo findet es als Kind und später als Erwachsene/r die fehlende Resonanz? Ist es dazu verdammt, sich immer noch mehr anzupassen, wohlgefällig zu verhalten, sich zu verleugnen oder sich selbst zurückzunehmen, um vielleicht doch einmal herzlich angenommen zu sein? Wählt es sich eine oder mehrere Mütter, die wärmen, trösten, sich mitfreuen, sich mitärgern, die Nähe zulassen können? Kann eine selbstgewählte Wahlmutter ein Ersatz sein für die Empathie und die bedingungslose Liebe, die man sich von der leiblichen Mutter erhoffte? Wird das Kind zur ewigen, erbarmungslosen Anklage der Mutter verdammt sein? Wird es die schönen Momente, Erlebnisse und Begebenheiten seiner Kindheit winzig werden oder verschwinden lassen und sagen müssen „Ich hatte keine schöne Kindheit“? Wird es sich aus der Reichweite der Mutter entfernen, nicht mehr oder nur schwer erreichbar sein oder den Kontakt abbrechen? Wird es sich verändern wollen, um nur „anders“ zu sein?

Oder findet es eigene, heilsame Wege der Liebe, die es stärken?

Sucht dieses Kind, das ein besonders sensibles Gespür für Menschen entwickelt hat, die Menschen genau beobachtet und sorgsam mit ihnen umgeht als Erwachsene/r unvoreingenommen die „Trüffelmomente“, die es in der Mutter-Kind-Beziehung gab? Lässt es auf dieser Basis Verständnis erwachsen für eine Mutter, die die Liebensbeziehung aus den unterschiedlichen Gründen nicht so leben konnte, wie wir es uns für das Kind wünschten und sie es sich vielleicht selbst gewünscht hätte? Gelingt es ihm, froh und dankbar zu sein für sein heutiges Leben, für alle heutigen Möglichkeiten, sich Unterstützung zu suchen und für seine eigene Familie?

Weihnachten ist das Fest der Liebe und wir lernen von der Familie im Stall zu Bethlehem eine bedingungslose, unendliche Liebe – eine Liebe, die nichts erwartet und die verzeiht.

„Der Klügere gibt nach“ wurde uns immer gesagt. So besteht die Chance der ungeahnten Resonanz, wenn das erwachsen gewordene Kind nun den Mut und die Möglichkeit hat, der Mutter geduldig und verständnisvoll das zu erklären, was es in der Welt, mit den eigenen Kindern, bei Freunden, in einer Therapie, durch Beratung verstanden und gelernt hat.

Das erwachsen gewordene Kind kann seinem kleinen, inneren Kind von der weihnachtlich-mütterlichen Liebe erzählen und ihm beibringen, dass es jetzt für das verletzte Kind da ist und es in jedem Moment liebevoll umsorgt. Und da meine ich keinen kitschigen Familien-Dreiklang in Tracht und mit Zitherspiel. 

Das Mutter-Marien-Thema ist eben nicht nur ein strahlendes, sondern auch ein ganz menschliches. Da ist es gut, wenn sich im Lichterglanz der Kerzen mütterliche Herzenswärme spiegelt – die Hoffnung des Weihnachtswunders wird spürbar. 

Oft wünsche ich mir, solch unerschrockene, zärtliche und das Wunder der Lebens hütende Frauen wie Maria trügen die Verantwortung und hätten das Sagen in unserer Welt - im wahrsten Sinne ein frommer Wunsch. Tatsächlich tragen wir alle die Verantwortung dafür, dass alle Kinder in der Welt sicher und behütet, satt und gewärmt, bestärkt und in ihre Individualität wahrgenommen aufwachsen und unsere Erde zu einer lebenswerten Welt, in der die Liebe wohnt, gestalten können - eine große Verantwortung, die aber nicht zu groß ist, wenn wir sie uns teilen.

Wie es im Lied so schön heißt: „Ich wünsch´ Euch von Herzen die süßeste Ruhe, die Englein vom Himmel, die decken Euch zu.“ ...