Adventsabendlied 4: "Es blüh´n drei Rosen auf einem Zweig"


Heute ist „Barbaratag“.

In meiner evangelischen Familie hatte dieser Tag, der an die von katholisch und orthodox Gläubigen an die Märtyrerin aus dem 3. Jahrhundert erinnert, auch immer eine Bedeutung. Die Mutter meines Vaters, die man Babett´ nannte, hieß mit Taufnamen Barbara – zu Deutsch die Fremde. Die erste Tochter meines Vaters, wurde ebenfalls auf diesen Namen getauft – Barbara, die Fremde. Zudem hatte die Schwester meines Vaters an diesem Tag Geburtstag.

 

Weniger fremd ist mir seit Kindheit die Tradition des Schneidens der „Barbarazweige“ an diesem Tag. Wart Ihr heute schon unterwegs, um Euch im Garten, auf der Streuobstwiese oder am Waldrand Barbarazweige zu schneiden, um an Weihnachten einen blühenden Strauß in der Vase zu haben?

 

Keine Sorge, es funktioniert auch, wenn Ihr morgen geht. Die Natur ist vorbereitet auf das kommende Jahr und die Zweige treiben gerne aus in der warmen Stube – Obst- oder Nussbaumzweige oder die von Forsythien. Das soll Glück bringen. Man kann auch jedem einzelnen Zweig eine Bedeutung zuweisen und daraus orakeln – welcher zuerst blüht…

 

Die Legende der Heilige Barbara könnt Ihr nachlesen, falls Ihr sie nicht kennt.

 

Es ist ein unglaubliches Wunder mit der Natur: Alles ist vorbereitet für das kommende Jahr, auch wenn es draußen kalt und trübe ist, auch wenn die Zeit der Blüten und Früchte vorüber ist, so steht sie doch schon wieder bereit, uns im nächsten Jahr üppig zu beschenken und mit ihrer Pracht zu erfreuen.

 

Im Garten, in der Natur sehe ich dieses Wunder überall: Knospen schieben sich durch Rinde – auch bei sparsam eingesetzter Energie entwickelt sich jeder Baum, jeder Strauch, jede Blume – ein wunderbares Vorbild, das die Natur uns Menschen da gibt. 

 

Es entwickelt sich – da muss man nichts zutun, da kann man gespannt beobachten und sich dran freuen – ob in der Natur oder in der Vase. Das sollten wir viel öfter tun – beobachten und uns an etwas freuen – die Natur sich entwickeln lassen. Das ist uns Menschen in der schnelllebigen, auf Profit ausgerichteten Industriegesellschaft fremd – barbarisch – und dabei ist das Wachsenlassen doch eher natürlich.

 

Nicht nur auf das Lassen oder ausschließlich auf das Machen ankommt, dass es also nicht nur Schwarz oder Weiß gibt, spüre ich beim Singen ganz gut. Wenn ich das „Es singt, nicht Du singst“ meiner Gesangslehrerin beherzige, fließen die Töne leicht und freudig und ich kann dankbar spüren, dass meine Stimme eine Gabe ist, mit der ich erfreuen und für die ich dankbar sein kann.

 

Ein sorgsames Kultivieren der Natur, damit auch der Mensch darin leben kann, ist durchaus einer sorgsam kultivierten Stimme vergleichbar. Beobachten, Verstehen wollen und Bewundern sind die beste Voraussetzung für Kultur. Das Beobachten, Verstehenwollen und Bewundern unterschiedlicher Kulturen bezieht das/die Fremde, den Fremden ein, verhindert Barbarei und verheißt ein glückliches Leben.

 

Mit dem Gedanken der Öffnung für das Fremde und dem Verstehenwollen einer fremden Kultur schicke ich Euch anbei das heutige Adventsabendlied „Es blüh´n drei Rosen auf einem Zweig“, ein typisches Marienlied aus Schlesien.

 

Mögen Euch und allen „Fremden“ die Barbarazweige Glück bringen und die Gedanken darüber, wie wir Menschen miteinander und mit der Natur in Einklang leben können, in eine angenehme Nachtruhe begleiten.  ...